379
Die Schweizer sehn den Reitersmann
mit doppelt großen Augen an:
„Nun wird er uns doch sagen müssen,
von wem wir soll'n die Leute grüßen?"
Der aber sagt es gleichwohl nicht.
„Habt ihr den Gruß nur ausgericht't
von dem, der kommt, so werden sie's ver-
stehn.
Lebt wohl, ihr Herrn, auf Wiedersehn."
Das war des Reiters letztes Wort,
des andern Morgens war er fort.
Hagenbich.
33. Die Übergabe der augsburgischen Konfession.
25. Juni 1530.
Der Kaiser Karl V. hatte 1529 einen Reichstag nach Spei er aus-
geschrieben. Dort setzten die Römischen den Beschluß durch, daß es keinem
ferner gestattet werden solle, zu den Lutherischen überzugehen. Dagegen
legten diese eine Protestation, d. i. Einsprache ein, in der sie erklär-
ten, daß sie bei ihres Herrn und Heilandes Wort, welches sie ohne Zwei-
fel rein und lauter hätten, verbleiben wollten, und daß sie aus redlichen
Gründen den Beschluß des Reichstages für nichtig erklären müßten. Von
dieser Protestation hießen die Lutherischen seitdem Protestanten. Ein
Protestant ist also ein solcher, der protestirt gegen alle Lehre, welche nicht
in der heiligen Schrift gegründet ist.
Für das folgende Jahr schrieb der Kaiser einen Reichstag nach Augs-
burg aus. Dort sollte über die lutherische Lehre gütliche Unterredung ge-
pflogen und wegen des Türkenkrieges beraten werden. Denn die Türken
hatten 1453 Konstantinopel erstürmt und bedrohten seitdem init ihren wil-
den Horden die deutschen Lande. Kaiser Karl gedachte sie zu bekriegen,
und dazu gebrauchte er die Hilfe der Evangelischen; daher war er gegen
diese milder gesinnt. Zu diesem Reichstage zog nun auch Kurfürst Johann
von Sachsen mit den drei Gottesgelehrten Philipp Melanchthon, Justus
Jonas und Spalatin. Luther blieb unterwegs auf der Feste Koburg, damit
er den Unterhandlungen nahe und doch sicher sei. Hier brachte er täglich
drei Stunden in brünstigem Gebete für das theure Evangelium zu, schrieb
auch, wenn ihm Trost mangeln wollte, Psalm 118, 17: „Ich werde nicht
sterben, sondern leben und des Herrn Werk verkündigen," an alle Wände
seines Zimmers und sandte viele tröstliche Briefe und Mahnungen zur Be-
ständigkeit gen Augsburg. Während der Kaiser noch verzog, hatte Melanch-
thon Zeit gehabt, ans des Kurfürsten Befehl das Glaubensbekenntnis der
Evangelischen aufzusetzen. Luther hatte es zuvor durchsetzen müssen und
hatte es gut geheißen, und der Kurfürst Johann von Sachsen, Markgraf
Georg von Brandenburg, Herzog Ernst von Lüneburg, Landgraf Philipp
von Hessen, Herzog Johann Friedrich von Sachsen, Herzog Franz von
Lüneburg, Fürst Wolfgang von Anhalt und die beiden Abgesandten der
Städte Nürnberg und Reutlingen hatten es unterschrieben. Als die Got-
tesgelehrten gegen den Kurfürsten sich erboten, wenn er etwa Bedenken
trage, bei ihnen zu stehen, so wollten sie allein vor den Kaiser treten und
sich verantworten, gab er ihnen zur Antwort: „Das wolle Gott nicht, daß
ihr mich ausschließet; ich will Christum auch bekennen."
Am 25. Juni nachmittags drei Uhr versammelten sich die Reichs-
stände in der Kapelle des Bischofshofes. Außer den Fürsten und Abge-
ordneten ließ der Kaiser niemand zu. Die beiden Kanzler des Kurfürsten,
Dr. Brück und Dr. Beyer, traten in die Mitte des Zimmers, jener mit
dem lateinischen, dieser mit dem deutschen Text des Bekenntnisses. Der
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Karl Karl Johann
von_Sachsen Johann Philipp_Melanchthon Philipp Justus
Jonas Johann_von_Sachsen Johann Georg_von_Brandenburg Ernst_von_Lüneburg Ernst Philipp
von_Hessen Philipp Johann_Friedrich_von_Sachsen Johann Friedrich Franz_von
Lüneburg Franz Wolfgang_von_Anhalt Christum
384
würdigste Denkmal aber hat das evangelische Volk dem edlen Glaubens-
helden in der segensreichen Gustav-Adols-Stiftung errichtet.
Andeä.
36. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst.
Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst von Brandenburg, wurde
im Jahre 1620 geboren; seine Jugend fällt also in die Zeit des dreißig-
jährigen Krieges. Als der Knabe sieben Jahre alt geworden war, ließ ihn
sein Vater, der Kurfürst Georg Wilhelm, der Kriegsunruhen wegen in die
schützende Festung Küstrin bringen. Allein fünf Jahre später hatten die
Kriegsverhältnisse einen so bedrohlichen Charakter angenommen, daß selbst
Küstrin nicht mehr sicher schien; man flüchtete mit dem Prinzen daher nach
Pommern. Hier sah er die Leiche seines Onkels, des Schwedenkönigs
Gustav Adolf, als sie gerade eingeschifft wurde, um nach Schweden überge-
führt zu werden. Der traurige Anblick machte auf das Gemüt des Knaben
einen unauslöschlichen Eindruck. Einige Jahre später bezog er zu seiner-
weiteren Ausbildung die berühmte niederländische Universität Leyden. Von
hier ging er nach dem Haag, der niederländischen Residenz, und ließ sich
von den dort weilenden Gesandten der fremden Mächte in die Staatskunst
einweihen. Dort versuchte man, ihn zu einem üppigen, ausschweifenden
Leben zu verleiten, aber vergeblich; er verließ den Haag und eilte zu seinem
Vetter, dem Prinzen Heinrich von Oranien, welcher gerade die von den
Spaniern besetzte Festung Breda belagerte. Oranien erkannte sofort mit
klarem Blick, daß diese That des Jünglings ein Vorzeichen künftiger Größe
sei, und sprach die prophetischen, bedeutungsvollen Worte: „Vetter, ihr
habt einen schöneren Sieg erfochten, als wenn ich Breda eroberte! Ihr habt
das gethan, ihr werdet mehr thun!"
Im Jahre 1640 starb der Kurfürst Georg Wilhelm, und nun bestieg
der Prinz den Thron. Das Land, welches er regieren sollte, war durch
den blutigen Krieg entvölkert, verwüstet und gänzlich verarmt. Allein der
junge Fürst verzagte nicht. Zunächst suchte er seinem Lande den Frieden
wiederzugeben; er schloß daher mit den Schweden einen vorläufigen Vertrag,
nach welchem sie nur noch in einigen festen Plätzen seines Landes Besatzungen
halten durften. Dann wirkte er für die Herbeiführung eines endgültigen
Friedens, der auch endlich im Jahre 1648 zu stände kam und dem furcht-
baren dreißigjährigen Kriege ein Ziel setzte. Die eingetretene Friedenszeit
benutzte der Kurfürst, um in seinem Lande Ordnung zu machen, den wider-
spenstigen Adel zu bündigen und den darniederliegenden Gewerben auf jede
Weise aufzuhelfen. Er gab zu dem Ende weise Gesetze, die sich trefflich
bewährten. Nebenbei richtete er auch sein Augenmerk aus die Vergrößerung
des Kurfürstentums, und es gelang ihm auch mit Hilfe seines tapferen,
von ihm gebildeten Heeres, sowie durch kluges Verhandeln mit anderen
Fürsten, diesen Zweck zu erreichen. Namentlich erwarb er die große und
wertvolle Provinz Ostpreußen, die seinem Reiche später den Namen geben
sollte, als unabhängiges Herzogtum.
Das hervorragendste Ereignis in dem Leben des großen Kurfürsten
war die Schlacht bei Fehrbellin. Als er nämlich im Vereine mit anderen
deutschen Fürsten gegen die Franzosen ins Feld gerückt war, fielen die
Schweden, durch den französischen König Ludwig Xiv. dazu bewogen, in
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Georg_Wilhelm Wilhelm Gustav_Adolf Gustav Adolf Heinrich_von_Oranien Heinrich Georg_Wilhelm Wilhelm Ludwig
386
schaft für den Seehandel nach Afrika. Ein besonderes Verdienst erwarb er
sich durch die Aufnahme von 20 000 französischen Protestanten, welche die
Verfolgungssucht des Königs Ludwig Xiv. zur Flucht aus ihrem Vater-
lande genötigt hatte. Ausgezeichnet durch ernste Frömmigkeit, regsamen
Fleiß und mancherlei Kunstfertigkeit haben diese neuen Einwanderer großen
Segen gestiftet. Auch der geistigen Bildung seiner Unterthanen widmete
der Kurfürst die treueste Fürsorge. Die Macht und das Ansehen seines
Staates endlich vermehrte er vorzüglich durch das tüchtige stehende Heer,
welches er gründete. So hinterließ er bei seinem Tode ein blühendes Land,
dessen Glück und Ruhm sein Werk war. „Mein Ziel war darauf gerichtet,"
sprach er kurz vor seinem Ende zu seinem Sohne, „mein kurfürstliches Haus
in Ruf, Flor und Ansehen zu bringen. Ich zweifle nicht, mein Sohn, du
werdest in den Grundsätzen, wodurch ich den Staat glücklich beherrschte,
mein Nachfolger sein, vor allen Dingen Gott vor Augen haben, deine
Unterthanen herzlich lieben, treue Räte hören und das Heft der Waffen
nicht aus den Händen lassen, denn dadurch muß nächst göttlicher Hilfe die
Sicherheit deiner Länder und der so sauer erworbene Ruhm des Kurhauses
Brandenburg hauptsächlich aufrecht erhalten werden. Mit allem Fleiß sei
darauf bedacht, den Ruhm, welchen ich dir als ein Erbtheil hinterlasse, zu
wahren und zu mehren." Er starb 68 Jahre alt, nach 48 jähriger Regierung.
Seine letzten Worte waren: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt."
Nach Deinhardt u. Andrä.
37. Frobens Aufopferung.
18. Juni 1675.
1. Herr Kurfürst Friedrich Wilhelm, der große Kriegesheld,
seht, wie er auf dem Schimmel vor den Geschützen hält;
das war ein rasches Reiten vom Rhein bis an den Rhin,
das war ein hartes Streiten am Tag von Fehrbellin.
2. Wollt ihr, ihr trotzigen Schweden, noch mehr vom deutschen Land?
Was tragt ihr in den Marken den wüt'gen Kriegesbrand?
Herr Ludwig von der Seine, der hat euch aufgehetzt,
daß Deutschland von der Peene zum Elsaß werd' zerfetzt.
3. Doch nein, Herr Gustav Wrangel, hier steh' nun einmal still,
dort kommt Herr Friedrich Wilhelm, der mit dir reden will.
Gesellschaft aller Arten bringt er im raschen Ritt
sammt Fahnen und Standarten zur Unterhaltung mit.
4. Nun seht ihn auf dem Schimmel, ein Kriegsgott ist er, traun!
den Boden dort zum Tanze will er genau beschaun.
Und unter seinen Treuen, da reitet hintenan
zuletzt, doch nicht aus Scheuen, Stallmeister Froben an.
5. Und wie der Wrangel drüben den Schimmel nun erblickt,
ruft er den Kanonieren: „Ihr Kinder zielt geschickt!
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Deinhardt Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Ludwig Ludwig Gustav_Wrangel Gustav Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Königs_Ludwig_Xiv Brandenburg Rhein Fehrbellin Deutschland Elsaß
388
hoch auf der Schimmel setzet, Herr Froben sinkt zum Sand,
und Roß und Reiter netzet mit seinem Blut das Land.
16. Die Ritter alle schauen gar ernst und treu hinein:
o Froben dort am Boden, wie glänzt dein Ruhmesschein!
Der Kurfürst ruft nur leise: „Ha! war das so gemeint?"
Und dann nach Feldherrnweise: „Run vorwärts in den Feind!"
Minding.
38. Friedrichs des Großen Jugendjahre.
Der dritte in der Reihe der preußischen Könige ist Friedrich Wilhelms
I. Sohn, Friedrich Ii., der Große. Er war geboren am 24. Januar
1712 und hatte eine schwere Jugendzeit; denn sein Vater behandelte ihn
äußerst streng. Vor allem wollte er ihn zu einem tüchtigen Soldaten
heranbilden: schon sehr früh wurde der Prinz zu allen militärischen
Übungen angehalten. In seinem zehnten Jahre mußte er bereits gleich
einem gemeinen Soldaten, trotz Wind und Wetter, mit Tasche und Flinte
auf die Schloßwache ziehen und^childwache stehen. -Aber das einförmige,
unaufhörliche Exerzieren gewährte Friedrichs lebhaftem Geiste keine Be-
friedigung; er las lieber französische Bücher, machte Gedichte und ergötzte
sich mit Flötenspiel. Das war dem derben Sinne des Vaters höchlich zu-
wider; er fürchtete, bei solchen Neigungen werde aus seinem Sohne nimmer-
mehr ein rechter Kriegsmann werden. „Fritz," sagte er verdrießlich, „ist
ein Querpfeifer und Poet; er macht sich nichts aus den Soldaten und
wird mir meine ganze Arbeit verderben.
Je mehr der Prinz heranwuchs, desto härter wurde die Behandlung,
welche ihm widerfuhr. Der König verwies ihn, da er sich seinen Wünschen
nicht fügen wollte, als einen Unwürdigen aus seiner Nähe, schalt ihn wieder-
holt vor allem Hofgesinde aus und drohte ihm, wo er ihm begegnete, mit
aufgehobenem Stock. Da faßte der Jüngling den Entschluß, heimlich nach
England zu entfliehen. Aber die Sache wurde verraten und Friedrich in
dem Augenblicke, wo er sein Vorhaben ausführen wollte, verhaftet. Als
er vor den Vater geführt wurde, geriet dieser so in Zorn, daß er nach
dem Degen griff, ja, er würde ihn durchbohrt haben, wenn sich nicht der
General von Mosel zwischen beide geworfen hätte. Der Kronprinz wurde
nun auf die Festung Küstrin gebracht, und hier mußte er täglich über sieben
Stunden in Regierungssachen arbeiten; auch im Übrigen hielt man ihn
äußerst strenge. Sein Freund, der Lieutenant Kätte, welcher ihm bei dem
Fluchtversuche behülflich gewesen war, wurde vor seinen Augen enthauptet.
Aber diese Zucht war dem allzu feurigen und geistvollen Friedrich höchst
heilsam; nicht nur ward er mit der Staatsverwaltung aufs genaueste be-
kannt, sondern er lernte auch seine Leidenschaften zu beschränken und in
treuester Pflichterfüllung die Aufgabe des Lebens zu sehen. So ward er
in seiner Einsamkeit allmählich umgewandelt, und mehr und mehr lernte
er die strenge, aber brave Art seines Vaters schätzen. So erfolgte denn
endlich die Versöhnung zwischen den beiden Männern, von denen jeder in
seiner Eigentümlichkeit so groß und edel war. Der König setzte seinen
Sohn als Oberst an die Spitze eines Regimentes und kaufte ihm das
Schloß Rh ein sb erg bei Ruppin.
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Wilhelms
I. Friedrich_Ii Friedrich Friedrichs Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
Preußen aber ist das Bild des „einzigen Friedrich" lebendig geblieben
bis auf den heutigen Tag. Audrä.
42. Friedrich Wilhelm Iii. und Luise.
Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz, die sich Preußens Kron-
prinz zu seiner Gemahlin erwählt hatte, erfüllte gleich Weihnachten 1793,
da sie als Braut in Berlin einzog, die ganze Stadt mit dem Rufe ihrer
Schönheit und Anmut. Bald wurde ihre Ehe mit dem gleichgesinnten
Kronprinzen das Vorbild eines wahrhaft deutschen Familienlebens, das
weithin durch das Land leuchtete. Ein Leben in solcher wechselseitigen Liebe
und Treue war damals an deutschen Fürstenhöfen leider sehr selten ge-
worden. Allgemein redeten damals vornehme Eheleute einander mit Sie
an; der Kronprinz und die Kronprinzessin nannten einander mit dem ver-
traulichen Du. Sie lebten nur für einander, und gleichwie Luise sich nach-
her als eine wahrhaft deutsche Königin bewährte, so stand sie als Kron-
prinzessin ihrem Gemahl als eine echt deutsche Hausfrau zur Seite.
Nicht bei Hofe, sondern nur zu Hanse fühlten beide sich recht heimisch.
Wenn sie ans dem Geräusche eines Festes in ihr stilles, kleines Schloß
heimkehrten und wenn dann Luise die Prachtkleider und den Schmuck
wieder abgelegt hatte, dann sagte der Kronprinz oft: „Gott sei Dank, daß
du wieder meine Frau bist!" „Wie?" fragte Luise lächelnd, „bin ich denn
das nicht immer?" „Ach nein," versetzte Friedrich Wilhelm mit einem
Seufzer, „du mußt nur zu oft Kronprinzeß sein!"
Am 10. März 1794 feierte Luise als Kronprinzessin ihren ersten
Geburtstag in Berlin. König Friedrich Wilhelm Ii., der seine Schwieger-
tochter sehr lieb hatte und hoch hielt, schenkte ihr das Lustschloß in Oranien-
burg. Aber je froher die Kronprinzessin dabei war, desto mehr wünschte
sie, auch andere zu erfreuen. Der König fragte sie, ob sie noch einen
Wunsch hätte. Da wünschte sie sich noch eine Hand voll Gold, um die
Armen von Berlin eben so froh zu machen. Lächelnd fragte Friedrich
Wilhelm Ii.: „Wie groß denkt sich denn das Geburtstagskind diese Hand
voll Gold?" „So groß wie das Herz des gütigsten von allen Königen,"
war die Antwort; und so erhielten die Armen eine reiche Spende. So
hielt Luise auch als Königin stets daran fest, daß sich andere mit freuen
mußten, wo sie sich freute.
Friedrich Wilhelm und Luise fühlten sich indessen in Oranienburg
doch nicht recht behaglich. Das Schloß war ihnen zu groß, die Umgebung
zu geräuschvoll. Sie sehnten sich nach einem schlichteren Landsitze, nach
einer stilleren Häuslichkeit. Darum kaufte der Kronprinz das Landgut
Paretz in der Nähe der Havel bei Potsdam. Er ließ das alte Wohnhaus
des Gutsherrn niederreißen und baute sich selbst ein neues ganz einfaches
Haus. Dort verlebte er den Sommer mit seiner Gemahlin und seinen
Kindern und nannte sich oft scherzend den „Schulzen von Paretz," wie
Luise sich die „gnädige Frau von Paretz" nannte. Dort feierten sie das
Erntefest mit ihren Hofleuten und Arbeitern. Mit dem Erntekränze
zogen die Schnitter und Garbenbindcrinnen vor das Schloß. Der könig-
liche Gutsherr trat heraus; er hörte die Rede der Großmagd freundlich
an und schickte diese dann mit dem Kranze ins Schloß zu seiner Gemahlin.
Vor dem Schlosse selbst begann dann der Tanz, und die Herren und
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Luise_von_Mecklenburg-Strelitz Luise Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Luise Friedrich_Wilhelm_Ii Friedrich Wilhelm Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Luise Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Luise
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Berlin Berlin Oranienburg Paretz Potsdam Paretz
415
59. Der Kaisertag in Versailles.
18. Januar 1871.
Während in raschem Fortschritte ganz Frankreich von den deutschen
Heeren überwältigt und niedergeworfen wurde, brach in Versailles, dicht
vor den Thoren des belagerten Paris, ein Tag heran, der Frieden und
die höchste Freude für ganz Deutschland, ja für die Welt bedeutete. Dem
Werke, das die vereinte Kraft Deutschlands geleistet, sollte nun das Siegel
aufgedrückt werden durch die friedliche und feierliche Erneuerung des deutschen
Kaisertums. Schon im Dezember 1870 hatten die deutschen Fürsten und
Völker, allen voran der hochherzige jugendliche Baiernkönig Ludwig, dem
greisen Könige Wilhelm die deutsche Kaiserkrone angeboten.
In dem Schlosse jenes gottlosen Fürsten, Ludwigs Xiv., dessen ganzes
Sinnen und Trachten auf Deutschlands Zersplitterung und Erniedrigung
gegangen war, wurde am 18. Januar 1871 König Wilhelm von
Preußen zum deutschen Kaiser ausgerufen. Es war derselbe Tag,
an dem 170 Jahre früher sein Ahnherr Kurfürst Friedrich Iii. von Bran-
denburg sich zum Könige von Preußen gekrönt hatte. Der große Festsaal
des Schlosses zu Versailles, der überaus prächtige Spicgelsaal, war zu der
Feier ausersehen. Mitten unter all der prahlerischen Eitelkeit der fran-
zösischen Könige war ein bescheidener Altar errichtet, mit rotem Sammet
bedeckt und mit zwei brennenden goldenen Armleuchtern geschmückt. Davor-
stand ein preußischer Geistlicher in seinem schmucklosen schwarzen Ornat.
Zu beiden Seiten des Altars standen Soldaten, je einige Mann von allen
deutschen Regimentern, die um Paris lagerten. Auch die Fahnen von
allen diesen Regimentern waren, jede von einem Unteroffizier gehalten, am
Ende des Saales auf einer Erhöhung aufgestellt. Und endlich hatten sich
gegen 600 Offiziere von allen Waffengattungen, im bunten Schmucke ihrer
prächtigen mannigfaltigen Uniformen, in dem Saale versammelt.
Um zwölf Uhr erschienen der König, der Kronprinz und viele fürst-
liche Gäste und nahmen dem Altare gegenüber Platz. Bismarck und
Moltke standen in der Nähe des Königs. Ein Sängerchor, der aus Sol-
daten bestand, leitete den Gottesdienst ein; er sang: „Jauchzet dem Herrn
alle Welt" mit Posaunenbegleitnng und die Liturgie. Dann folgte ein
kriegerisches: „Helme ab zum Gebet" und die Predigt des Hofpredigers
Rogge ans Potsdam über den 21. Psalm, der gerade für die Feier so
passend war: „Herr, der König freuet sich in deiner Kraft, und wie sehr
fröhlich d ist er über deiner Hilfe. Du gibst ihm seines Herzens Wunsch
und weigerst nicht, was sein Mund bittet. Sela. Denn du überschüttest
ihn mit gutem Seg^n, du setzest eine goldene Krone auf sein Haupt
du setzest ihn zum ^egen ewiglich .... denn der König hofft auf den Herrn
und wird durch die Güte des Höchsten fest bleiben .... Sie gedachten dir
Übles zu thun und machten Anschläge, die sie nicht konnten ausführen . . . ."
Mit einem brausenden „Nun danket alle Gott!" schloß die kirchliche Feier.
_ Der König erhob sich und schritt, gefolgt von allen Prinzen und
Fürsten und dem Grafen Bismarck, gerade auf die Erhöhung zu, wo alle
die Fahnenträger standen. Am Rande der Erhöhung stand der greise, fast
74jährige König, zu seiner Rechten der Kronprinz, links der Bundeskanzler;
die Fürsten traten hinter den König. Mit bewegter Stimme sagte der
König, wie ihm die Kaiserkrone von allen deutschen Fürsten und freien
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Wilhelm Ludwigs_Xiv. Ludwigs_Xiv. Wilhelm Friedrich_Iii Friedrich Sela Bismarck
Extrahierte Ortsnamen: Versailles Frankreich Versailles Paris Deutschland Deutschlands Deutschlands Versailles Paris Potsdam
417
Auge naß, und dem greisen Könige und Kaiser stürzten die Hellen Thränen
aus den Augen. Man sah, wie die stattliche Gestalt erschüttert war vor
Rührung. Der Kronprinz von Preußen huldigte dem Kaiser durch Hand-
kuß — aber der Vater schloß ihn in die Arme und küßte ihn wieder und
immer wieder unter glücklichen Thränen. Auch seinen Bruder Karl und
seinen Vetter, Admiral Adalbert, seinen Schwager, den Großherzog von
Weimar, und seinen Schwiegersohn, den Großherzog von Baden, schloß
der König in die Arme; die älteren Fürsten brachten ihren huldigenden
Glückwunsch durch Handschütteln, die jungen Prinzen durch Handkuß dar.
Die ganze übrige Versammlung huldigte dem Kaiser durch Vortreten und
tiefe Verbeugung, die der Kaiser durch freundliches Kopsneigen erwiderte.
Als der Kaiser das Königsschloß der Ludwige verließ, sank die Hohen-
zollernfahne nieder, und die neue deutsche Kaiscrfahnc rauschte in die Höhe.
Während der ganzen seltenen deutschen Kaiserfeier donnerten die deutschen
Kanonen gegen Frankreichs Hauptstadt. R. König.
60. Unser Vaterland.
1.
ennt ihr das Land, so wunderschön,
^ in seiner Eichen grünem Kranz?
Das Land, wo auf den sanften Höhn
die Traube reift im Sonnenglanz?
Das schöne Land ist uns bekannt,
es ist das deutsche Vaterland.
2.
Kennt ihr das Land, vom Truge frei,
wo noch das Wort des Mannes gilt?
Das gute Land, wo Lieh’ und Treu’
den Schmerz des Erdenlehens stillt?
Das gute Land ist uns bekannt,
es ist das deutsche Vaterland.
3.
Kennt ihr das Land, wo Sittlichkeit
im Kreise froher Menschen wohnt?
Das heil'ge Land, wo unentweiht
der Glaube an Vergeltung thront?
Das heil'ge Land ist uns bekannt,
es ist ja unser Vaterland.
4.
Heil dir, du Land, so hehr und gross
vor allen auf dem Erdenrund!
Wie schön gedeiht in deinem Schoss
der ediern Freiheit schöner Bund!
Drum wollen wir dir Liehe weihn
und deines Ruhmes würdig sein!
L. Wächter.
Helmrich, Vaterländ. Lesebuch.
27
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